Naivität, Unsicherheit und Unwissen mit klarer Informationspolitik begegnen!

Ein Interview mit Prof. Dr. Sabine Broeck, Vertrauensperson beim Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten an der Universität Bremen

AStA: Sie sind (inter)national gut verknüpft. Wie schätzen Sie nach dem Fall Guttenbergs den Schaden für den Ruf deutscher Hochschulen im Ausland bzw. in der Bundesrepublik ein?

Sabine Broeck: Zunächst hatte ich befürchtet, dass dieser Ruf großen Schaden nehmen würde. Ich habe z.B. von amerikanischen Kolleginnen und Kollegen schon sehr realsatirische Mails bekommen. Es wurde angefragt, ob es jetzt der Modus deutscher Wissenschaft würde, Doktortitel wie Kleidungsstücke zu behandeln, die man nach Gebrauch einfach ablegt.

In den letzten Tagen ist viel getan worden, besonders durch viele kleine und große Initiativen seitens des wissenschaftlichen Nachwuchses (zum Beispiel die riesige Unterschriftenaktion an die Kanzlerin), aber auch seitens vieler KollegInnen, die sich gegen die unerträgliche Banalisierung wissenschaftlicher Arbeit in der Boulevardpresse gewandt haben. Mit diesen Initiativen sind unsere hohen Ansprüche öffentlich mit Nachdruck vertreten worden. Damit ist hoffentlich auch im Ausland ein differenziertes Bild im Umlauf.

Es ist allerdings schon sehr bedenklich, wie nonchalant große Teile der politischen Eliten und auch der deutschen Öffentlichkeit mit Ansprüchen an wissenschaftliche Integrität und Qualität umgegangen sind…und ich hoffe, dass meine KollegInnen im Ausland da zu unterscheiden wissen.

AStA: Was tun Sie als Vertrauensperson dafür bzw. was müsste getan werden, um einen solchen Fall an unserer Universität zu vermeiden?

Sabine Broeck: Es gibt dieses Beauftragten-‚Amt‘ auf Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die vor einigen Jahren schon mit in einem sehr ausführlich und sorgfältig argumentierenden Beschluss die deutschen Universitäten auf die Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis festgelegt hat.

Diese Standards enthalten natürlich eine klare Absage an das Plagiat als eine Form geistigen Diebstahls. Dieses Verhalten ist mit wissenschaftlicher Integrität nicht vereinbar. Es wird auch sehr deutlich erläutert, welche verschiedenen Fehlleistungen den Tatbestand des Plagiats erfüllen. Außer dem Plagiat werden auch andere Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens festgehalten, wie z.B. Ausnutzung der Arbeit des Nachwuchses, Pfuschereien bei Patenten und weitere Fälle; die deutschen Universitäten sind eindeutig gehalten, solche Fälle zu bearbeiten und ggfs. mit Sanktionen zu belegen.

Als AnsprechpartnerIn für Personen, die Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens bei anderen Personen vermuten, stehen die Vertrauensleute, wie ich, zur Verfügung, damit zunächst seitens universitärer Instanzen sorgfältig etwaige Fälle geprüft werden können. Dieses Amt ist also auf Initiative der DFG bundesweit an deutschen Unis eingerichtet worden, damit es eine Anlaufstelle zur Klärung etwaiger Fälle gibt, ohne dass innerhalb der Universität in Denunziantentum abgeglitten werden muss.

Die Universität Bremen nimmt diese Verantwortung ernst; es sind tatsächlich in meiner Amtszeit auch einzelne Fälle zu behandeln gewesen. Man kann allerdings nicht davon sprechen, dass dies hier ein größeres Problem darstellt und hoffen, dass dies auch so bleibt.

Dies liegt – nehme ich an – auch daran, dass an der Universität ja auf allen Ebenen, also schon bei der Abgabe von schriftlichen Hausarbeiten in den Bachelor Studiengängen, die Studierenden lernen, was ein Plagiat, also wissenschaftliches Fehlverhalten ist, und dass sie sich schriftlich verpflichten, solches für ihre Arbeit auszuschließen. Dies setzt sich auf allen Ebenen fort – bis zur Habilitation.

AStA: Der Fall Guttenberg: institutionelles Versagen oder persönliches Problem?

Sabine Broeck: Diese Frage kann ich nicht beantworten, denn bei der Institution, die hier möglicherweise versagt hat, handelt es sich um die Universität Bayreuth, über die ich mir keine Aussage erlauben kann. Es wird abzuwarten sein, was die angekündigte Untersuchung hier ergibt.

Ich glaube, dass die deutschen wissenschaftlichen Institutionen und ihre Vertretungen wie die DFG im Prinzip gut aufgestellt sind, um Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht als Kavaliersdelikte zu übergehen. Inwieweit dann im einzelnen diese Strukturen greifen, ist so pauschal schlecht zu beurteilen – und in Skandalen wie im Fall Guttenberg hat sich dann wissenschaftliches Fehlverhalten auch noch mit Politik vermischt, das ist eine sehr unrühmliche Gemengelage…

Da ist wahrscheinlich eher die Frage, wie viel Standfestigkeit bringt eine größere wissenschaftliche Öffentlichkeit auf, unsere Standards zu behaupten. Das ist dann ja in diesem Fall auch eingetreten, wenn auch mit etwas Verzögerung. Meiner Meinung nach ist ein Plagiat oder anderes Fehlverhalten in der Wissenschaft zunächst grundsätzlich in der Verantwortung des/der Einzelnen, der oder die aus Unwissenheit (bei jungen Studierenden oft der Fall) oder um Erheischung eines Vorteils willen ein solches begehen.

Unsere institutionelle Verantwortung liegt darin, Naivität, Unsicherheit und Unwissen über wissenschaftliche Standards beim Nachwuchs und den KollegInnen mit klarer Informationspolitik und offensiver Setzung ausgewiesener Ansprüche zu begegnen, so dass jede/r weiß, worauf er oder sich einlässt, wenn man es trotzdem versuchen möchte…

Allerdings glaube ich nicht, dass solche Informationspolitik oder auch mögliche Sanktionen die kriminelle Energie Einzelner verhindern werden können. Das weiß man doch aus anderen gesellschaftlichen Bereichen genauso. Trotzdem müssen wir uns damit große Mühe geben, und werden dies sicher auch weiter tun, schon alleine um Schaden und Spott von allen denjenigen abzuwenden, die integere wissenschaftliche Arbeit verfolgen.

Wir sind es uns als Institution selbst schuldig, immer wieder auf die Qualität wissenschaftlicher Arbeit zu drängen, die doch aus sorgfältiger Recherche, kritischer Reflektion und offener Auseinandersetzung mit vorgängiger Wissenschaft besteht. Wenn dann einzelne Leute meinen, sich für ihre Karriere oder sonstige Zwecke wissenschaftliche Meriten „einklauen“ gehen zu können, desavouiert das diese Individuen, nicht die Universitäten insgesamt.

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